Das Konzept

Die Niederpleiser Frischlinge sind auf zwei grundlegenden Werten gegründet worden: Der Waldpädagogik und dem beziehungsorientierten Erziehungsstil. Unser Fokus liegt damit nicht ausschließlich auf dem Wald als hervorragendem Entfaltungsraum, sondern ebenso auf der Überzeugung der Gleichwertigkeit unserer Kinder. Die Kombination bietet unserer Meinung nach die bestmöglichen Voraussetzungen Kinder bei der aktiven Gestaltung ihrer Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen. Im Folgenden möchten wir die wichtigsten Fragen und Themen rund um unsere WaldKiTa und den beziehungsorientierten Ansatz aufgreifen. 

Eine ausführliche Version unseres pädagogischen Konzeptes findet Ihr hier: Konzept Niederpleiser Frischlinge.

Besonderheiten in unserer WaldKiTA 

  • Was machen die Kinder im Wald?

    Zuallererst: Spielen! Die Kinder dürfen sich je nach Alter immer freier am Zielort bewegen und Beschäftigungen suchen. Sie gestalten ihre eigenen Spielwelten voller Phantasie und im Austausch miteinander. Außerdem gibt es Angebote für die Kinder: Die Erzieher*innen nehmen immer Malsachen, Bücher und Werkzeug mit, je nach Projekten auch weiteres Material. Wichtig für die Eltern zu wissen: Von klein auf arbeiten die Kinder im Wald mit Werkzeugen. Sägen und Schnitzen sind z.B. sehr beliebt! Selbstverständlich werden die Kinder dabei angeleitet und begleitet.

  • Fokus Freies Spiel

    Die WaldKiTa kommt ohne verbindliche Förderangebote aus. Es gibt weder eine gemeinsame Bastelzeit, noch eine Turn- oder Englischstunde. Ganz bewusst sollen die Kinder möglichst viel Zeit haben in ihrem eigenen Tempo die Welt zu entdecken. Es entspricht unserer Überzeugung, dass Kinder spielerisch lernen, dadurch ihre Persönlichkeit entfalten und gemeinsames Spiel eine ideale Möglichkeit ist, sich im sozialen Miteinander zurechtzufinden. Zusätzlich machen die Erzieher*innen offene Angebote, an denen die Kinder nach Wunsch teilnehmen können, um Neues zu entdecken oder Beliebtes zu vertiefen.

  • Wird den Kindern nicht langweilig?

    Die Natur regt die Kinder zu Phantasie an. Ein umgestürzter Baum wird zum Schiff, Äste zu Paddel und Laub zu Wellen. Außerdem werden täglich andere Ziele angesteuert. Das ist mal der moosige, verwunschene Wald oder sind die Buchenreihen, das kann der Bach sein oder die „Lichtung“ mit ihren Hängen. Manchmal ist es auch der Spielplatz mit dem angrenzenden Waldstück zum Tipis bauen. Und schon auf dem Weg schaffen die Jahreszeiten und die Unvorhersehbarkeit der Natur spannende Begegnungen.

  • Gibt es auch Ausflüge?

    Ja! Es werden auch Ausflüge durchgeführt, die nicht in den Wald oder die angrenzende Natur gehen. Vertreter*innen naturnaher Berufe wie Imker*innen, Landwirt*innen oder Förster*innen kennenzulernen bietet sich ebenso an wie ein gemeinsamer Einkauf, ein Besuch bei den ansässigen Einsatzkräften von Polizei und Feuerwehr oder ein Einblick in Betriebe vor Ort. Auch Museumsbesuche, ein Kennenlernen der Bücherei oder ein Ausflug ins Theater stehen auf dem Plan.

  • Vorschule in der WaldKiTa

    Die konkrete Vorbereitung für die Schule findet mit den Vorschüler*innen im Wald statt. Die Erzieher*innen nutzen dafür primär Material aus der Natur und ergänzen dieses bei Bedarf. Studien zeigen, dass Waldkindergarten-Kinder in der Schule positiv auffallen. In den kognitiven, musischen und körperlichen Bereichen wurden sie von den Lehrer*innen besser benotet als Kinder aus Regelkindergärten. In Bezug auf Motivation, Ausdauer, Konzentration als auch beim Sozialverhalten und der Mitarbeit im Unterricht schneiden sie noch deutlicher besser ab.

  • Das ganze Jahr draußen?

    Ja! Bei Regen und Kälte brauchen die Kinder angemessene Kleidung. Lediglich bei Gewitter- und Sturmwarnung entscheiden die Erzieher*innen, dass der Tag in und an der Unterkunft verbracht wird. 

  • Sicherheit im Wald

    Für die Zielorte, die von der Gruppe besucht werden, werden vertragliche Vereinbarungen zur erhöhten Verkehrssicherheit getroffen. Da z.B. durch Wettereinflüsse täglich neue Gegebenheiten möglich sind, werden die Erzieher*innen speziell in der Wahrnehmung von Gefahrenpotentialen geschult. Der Wald bietet aus gesundheitlicher Perspektive mehr Vor- als Nachteile: WaldKiTa-Kinder sind erfahrungsgemäß seltener krank als andere Kinder. Alle Eltern werden gebeten ihre Kinder täglich nach Zecken zu untersuchen. Der gefürchtete Fuchsbandwurm ist in der Realität keine nennenswerte Gefahr, insbesondere weil die Kinder nichts aus dem Wald essen dürfen und da auch im Wald großer Wert auf Hygiene gelegt wird. 

  • Mittagessen ohne Küche

    In einem der Wagen wird zwar eine Küche stehen, zum frisch Kochen vor Ort reicht das jedoch nicht aus. Darum beliefert uns jeden Mittag ein Caterer mit fertigen Gerichten, der hochwertige, regionale Produkte verarbeitet. Außerdem gibt es einen Obst-Nachtisch, dessen Zubereitung Teil der Elterndienste ist. Durch den Fokus auf gesundes Essen ist es wahrscheinlich, dass der Essensbeitrag die gängigen Summen übersteigt.

  • Wo gehen die Kinder auf Toilette?

    In einem der Bauwagen gibt es eine ganz normale Toilette und einen komfortablen Wickeltisch. Im Wald ist das natürlich anders. Hier gibt es ausgewiesene Plätze, die die Kinder nutzen können. Ein Klappspaten gehört zum täglichen Gepäck. Die Hände waschen die Kinder danach mit biologisch abbaubarer Seife und Wasser aus dem mitgebrachten Wasserbeutel. Die Wickelkinder werden bei Bedarf im Wald gewickelt (meist im Stehen).

  • Vertretung im Krankheitsfall

    Selbstverständlich wird auch im Krankheitsfall eines Mitarbeitenden die Aufsicht der Kinder gewährleistet. Dafür muss entweder kurzfristig der Dienstplan geändert oder eine Spring-Kraft eingesetzt werden. Außerdem gibt es einen freiwilligen Eltern-Ersatzdienst, der Teil der Elterndienste ist.

  • Elterndienste

    Beim Eintritt in eine Elterninitiativ-KiTa, wie die Niederpleiser Frischlinge, verpflichten sich alle Eltern der angemeldeten Kinder einen Elterndienst zu übernehmen. Die Möglichkeiten sich einzubringen sind vielfältig und jedes Elternteil kann sich sein Einsatzgebiet selbstverständlich frei wählen.


  • Schließzeiten

    Die Schließzeiten werden für jedes Kitajahr im Voraus festgelegt. Im Normalfall sind dies drei Wochen in den Sommerferien und zwei Wochen über Weihnachten und Neujahr sowie einige Brückentage. Zusätzlich finden pro Kitajahr zwei pädagogische Tage für die Mitarbeitenden statt, an denen die WaldKiTa geschlossen ist. 


Der beziehungsorientierte Ansatz 

Der beziehungsortientierte Ansatz zeichnet sich durch seine Haltung aus. Es steht nicht die dogmatische Ausführung im Vordergrund, sondern folgende Grundwerte machen den Umgang miteinander aus: 

  • Offenheit: Statt festzulegen, was für ein Kind gut und richtig ist, werden die individuellen Signale und Rückmeldungen des Kindes beachtet.
  • Anerkennung: Äußerungen des Kindes werden wahrgenommen und seine gesamte Persönlichkeit wird anerkannt, wie sie ist. Es besteht keine Erwartungshaltung, wie ein Kind zu sein hat.
  • Wertschätzung: Der Wert des Kindes als eigenständiger Mensch und der Wert von allem was er sagt, denkt und einbringt, werden anerkannt.
  • Gleichwertigkeit: Es besteht wegen der Verantwortung der Erwachsenen keine Gleichberechtigung, aber durch die gleichwertige Berücksichtigung des Kindes wird die klassische Erziehungshierarchie aufgehoben.
  • Achtung der kindlichen Persönlichkeit: Die persönlichen Grenzen des Kindes werden nicht überschritten. 


  • Erziehungspartnerschaft

    Wir wünschen uns von allen Beteiligten die Bereitschaft ein partnerschaftliches Verhältnis einzugehen. Gemeinsam im Sinne der Kinder zu handeln, steht als Gedanke über dem gesamten Projekt. Die Eltern als Experten ihrer Kinder sind hier ebenso gefragt wie die Mitarbeitenden. Genau wie im Umgang innerhalb der KiTa-Gruppe soll auch der Kontakt zwischen den Erwachsenen von Wertschätzung, Anerkennung, Gleichwertigkeit und Offenheit geprägt sein. KiTa und Familie sind nicht zwei getrennte Welten, sondern gehen bei den Niederpleiser Frischlingen ineinander über: Ein/e Begleiter*in besucht die Familien auf Wunsch vor der Aufnahme zu Hause, die Eltern sind eingeladen immer wieder Teil des KiTa-Alltags zu werden und eine offene und ehrliche Gesprächskultur macht den Austausch über Alltägliches, Besonderes und Kompliziertes möglich.

  • Eingewöhnung nach dem Münchner Modell

    Der Kern der Eingewöhnung ist Beziehungsaufbau. Darum ist die Eingewöhnung bei den Niederpleiser Frischlingen eine sehr bedeutsame Phase. Das Eingewöhnungskonzept orientiert sich an dem Münchner Modell: Das Kind, die Eltern und die anderen Kinder aus der Gruppe werden dabei von den Erzieher*innen berücksichtigt und aktiv einbezogen. Die Eingewöhnung kann sehr schnell gehen, sie kann aber auch mehrere Wochen dauern – je nach Tempo des Kindes. Die Eltern werden daher gebeten mindestens vier Wochen für den Einstieg einzuplanen.

  • Persönliche Autorität statt autoritärer Lenkung

    Selbstverständlich gibt es gemeinsame Regeln, die von allen Gruppenmitgliedern eingehalten werden müssen. Neben einigen Grundregeln, wie dem Verbot von Gewaltanwendung, sind die meisten Regeln nicht starr festgelegt, sondern einer stetigen Reflexion unterworfen. Gemeinsam mit den Kindern stellen die Erzieher*innen wenige, jedoch sinnvolle, Grundsätze auf, hinter denen sie persönlich stehen und die sie authentisch vertreten können. Auf dieser Basis können die Erzieher*innen konsequent und authentisch deren Einhaltung einfordern und den Kindern ihre Wichtigkeit begreiflich machen.

  • Vertrauen und Interesse statt Kontrolle

    Im Rahmen der Möglichkeiten der gesetzlichen Aufsichtspflicht erhalten die Kinder große Freiräume zum Entdecken und Erkunden ihrer Fähigkeiten. Die Erzieher*innen sind dabei jederzeit als Ansprechpartner*innen verfügbar und tauschen sich regelmäßig mit den Kindern über deren Erfahrungen aus. Feste Rituale, wie zum Beispiel der Morgenkreis und ein Abschiedslied, dienen den Kindern zur Orientierung. Durch eine enge Beziehung zu mindestens einem/r der Erzieher*innen erfahren die Kinder außerdem Geborgenheit. Mit Klarheit und Sicherheit können die Kinder sich so gesund frei entfalten.

  • Dialog und Austausch statt Belehrung und Bevormundung

    Im Mittelpunkt des pädagogischen Umgangs in der WaldKiTa der Niederpleiser Frischlinge steht der persönliche, gleichwertige Dialog. Durch diesen Austausch entsteht eine authentische Beziehung, in der sich das Kind wertgeschätzt fühlt. Der/Die Erzieher*in bringt seine Persönlichkeit und seine Gefühle ebenso in das Gespräch ein wie seine Haltung. Dabei hört er dem Kind aufmerksam zu um seine Position nachempfinden zu können.

  • Wertschätzung statt Lob

    Echte Freude und Wertschätzung ersetzen das Lob, um erwünschtes Verhalten zu verstärken. Kinder brauchen kein Lob, um einen Selbstwert zu entwickeln; sie brauchen Anerkennung und ehrliche Anteilnahme.

  • Verantwortung statt Strafe

    Schimpfen und Strafen haben in der WaldKiTa der Niederpleiser Frischlinge keinen Platz! Der/Die Erzieher*in steht in der Verantwortung, das „Fehlverhalten“ des Kindes zu ergründen und in einem Dialog Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten.

  • Begleitung statt Erziehung!

    In Bezug auf den beziehungsorientierten Ansatz ist die Bezeichnung „Erzieher*in“ irreführend. Die Mitarbeitenden bei den Niederpleiser Frischlingen sind Begleiter*innen der kindlichen Entwicklung und ihre Arbeit wird durch diesen Begriff treffender beschrieben. Nur um die Berufsbezeichnung korrekt wiederzugeben, wird trotzdem der Terminus „Erzieher*in“ benutzt.

  • Besondere Anforderungen an die Mitarbeiter

    Der beziehungsorientierte Ansatz ist für Eltern wie Mitarbeitende manchmal anstrengend. Er erfordert mehr Geduld, Kreativität und Hingabe als der konventionelle Weg der Erziehung. Aus diesem Grund wurden Maßnahmen zur Steigerung des Wohlbefindens der Mitarbeitenden im Konzept der Niederpleiser Frischlinge verankert. Harte Fakten, wie eine möglichst angemessene Bezahlung, wurden dabei ebenso berücksichtigt wie regelmäßige Fürsorge z.B. in Form von Supervisionsangeboten. 

  • Quellen und Literatur zum Weiterlesen:

    Alfie Kohn - Liebe und Eigenständigkeit 

    Daniel Siegel und Tina Bryson - Achtsame Kommunikation mit Kindern 

    Herbert Renz-Polster und Gerald Hüther - Wie Kinder heute wachsen. Natur als Entwicklungsraum 

    Katharina Saalfrank - Du bis ok, so wie du bist. Von der Erziehung zur Beziehung 

    Katharina Saalfrank - Was unsere Kinder brauchen. 7 Werte für eine gesunde Eltern-Kind-Beziehung